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"Der Liebende" (unvollendet)      by  Gültekin Cakmak     Copyright © 2006 

(Berlin im Herbstmonat Oktober)

Der Anfang der Liebe ist ein Scherz und ihr Ende ist zumeist Ernst. Allzu zart ist ihre Erhabenheit um beschrieben werden zu können und ihr bodenloses Wesen ist durch das eigene Erleben nur zu empfinden. Daher möchte ich den Lesern die Geschichte erzählen, die einem Herzen widerfahren und vor einiger Zeit geschehen ist.

Bruno war glücklich die Dinge zu verstehen, die für gewöhnlich die Natur von sich aus vollbringt und das Ziel der Dinge zu begreifen, die im Verstande vorgezeichnet sind und wenn an gewissen Tagen das empörende Blut keine Ruhe finden ließ oder täuschende Geister sich oder himmlische Phantasien nicht in seinem Herzen legen mochten, nahm er sein Homer, ging in den Berliner Tiergarten, setzte sich zu Füssen der Bäume und versuchte mit  ausgesprochenen Sätzen, das Andenken, die Erinnerung an das höhere Dasein aufrecht zu halten. Und wenn es schließlich beim Lesen um den Augen dämmerte, die Welt um ihn her und Himmel ganz in seiner Seele ruhte, wie die Gestalt einer Geliebten, wusste er, dass die ersten vierzig Jahre des Lebens eine fortwährende Ohnmacht sei, begleitet vom Taumel der Liebe und vom Schatten des Hasses und dass die Götter im Menschen zwei entgegen gesetzte Naturen vereinigt haben. Die eine, die stets zum Guten und zur Tugend ermahnt und die, die entgegen gesetzte zu Leidenschaften rät und ins Verderben führt. Und so kehrte er in sich selbst zurück und fand wieder mehr eine Welt in Ahndung und dunkler Begier.

 

Bruno hatte das Alter von dreißig Jahren und wendete sich mit hoher Zuversicht an die Werke des Homer, die ihm die Zeit kostbar aufgehen und für einige Stunden die Welt vergessen ließen, denn eine Enttäuschung aus Liebe hätte er ferner geistig und seelisch nicht bestehen können. Die Herbsttage des Jahres jedoch sollten ihm ein weiteres Schicksalsspiel bescheren, denn an jenem Nachmittag und während des Spazierens im Tiergarten, sah er das unbekannte Mädchen, das unerwartet an der Staffel sitzend versuchte, mit leuchtender Ölfarbe eine glückliche Aussicht auf der Leinwand festzuhalten und das eingefangene Geschehen wieder zu geben. Sie war in teurem Rot gekleidet, trug einen leichten Hut auf dem zarten Köpfchen und erweckte das Interesse, da ihm die Aussicht bisher entgangen war.

Als er sich seitwärts näherte, sah er, dass der Anblick ihres Wesen der Inbegriff dessen war, wonach der Sehnsüchtige verlangte, sie hatte eine unübertreffliche Schönheit und ihre körperlichen Reize, die malerische Bewegung ihres Wesens verliehen ihr Klugheit, Reinheit und Schamhaftigkeit zugleich. So verblieb er in vorsichtiger Achtsamkeit und betrachtete aus schweigender Ferne den Schatz, der in der stillen Gegend verborgen lag und der wunderbare Zufall entdecken ließ. Es verging eine gewisse Zeit, bis sie mit einfachen Worten und leicht gesenkten Blicken inne hielt und sagte,  „Nehmen sie sich in acht, es ist nicht gestattet zu interpretieren, denn ich halte mich allein an die Natur, sie allein ist unendlich reich und sie allein bildet die Kunst“.

Bruno machte ihr ein unbedeutendes Kompliment und seine ganze Seele ruhte auf der Gestalt, dem Tone und dem Betragen und hatte eben Zeit sich von der Überraschung zu erholen. Ja, er war heiter und vergnügt, dass er die Bekanntschaft gefunden hatte, das seinem Herzen näher anging und setzte sich auf die gelb und braun schattierten Blätter, die wie ein Teppich den Herbstboden bedeckten. Und als ihre deutlichen Vorzüge all seine Sinne gefangen nahmen, spielte der Verstand mit den Gedanken, die zuerst nicht imstande gewesen waren, der Seele Schleier zu durchdringen. Die Liebe ist ein geistiges Gefallenfinden und ein seelisches Vermischen und aus diesem Grund sehnt es sich und versucht sich in der Begegnung selbst zu finden. Gleiches fühlt sich zum Gleichen hingezogen und er erkannte das Gleichartiges miteinander harmoniert und Ähnliches zueinander stets verlangt, wie viel mehr musste dies bei der Seele sein, ist doch die Seelenwelt die reine Heimstatt der Liebe und der höheren Natur verwandt. Während des Geschehens wendete sich das Interesse hin und wider jener Aussicht und zur Tätigkeit der unbekannten Schönheit und hierbei vermied er zu deuten, wie sie vollkommen ist, warum sie in der Welt vollkommen ist.Umso mehr fühlte er den Herzenswunsch für den zweifellosen Weg sich zu entscheiden, um mit der unbekannten Schönheit in nahe Bekanntschaft zu treten, eine Freundschaft einzugehen, die dauern sollte für eine fortwährende Zeit.

Indessen hatte Bruno die Zuversicht ergriffen, das andauernde Schweigen zu beenden, als die unbekannte Schönheit ein zweites zuvor kam und in den Händen den Pinsel weiter fortführend sagte „Dem verständigen Menschen sind vielfältige Möglichkeiten als Ersatz für unsittliche Taten gegeben. Gott hat seinen Dienern nichts verwehrt, ohne dafür eine Hilfe, als Entschädigung, etwas Zulässiges in Aussicht zu gewähren, das schöner und besser ist als das Verbotene. Bitte sind sie liebenswürdig und erzählen etwas mehr von ihnen?“

„Ich hatte mich früher an dem Ausdruck der Farben versucht“, versetzte er „allein es war zu schwach, sodass ich die Eigentümlichkeit ergriffen habe mit Worten zu spielen. Ja, die täglichen Pflichten haben zurzeit das Vergnügen mich in leidliche Ketten zu legen. Ich bin Stadtschreiber zu Berlin.“

„Wie ich jünger war“, sagte sie, „liebte ich nichts so sehr als die Romanen und der Autor ist mir der liebste, in dem ich meine Welt wieder finde, bei dem`s zugeht wie um mich, und dessen Geschichte mir doch so interessant, so herzlich wird, als mein eigen häuslich Leben.Doch da ich so selten an ein Buch komme, so müssen sie auch recht nach meinem Geschmacke sein“

Bruno bemühte sich, seine Bewegungen über diese Worte zu verbergen und er fand soviel Charakter in allem, was sie sagte, er sah mit jedem Worte neue Reize, neue Strahlen des Geistes aus ihren Gesichtszügen hervorbrechen, die sich nach und nach vergnügt zu entfalten schienen, weil sie an ihm fühlte, dass er sie verstand.

„Bitte, nehmen sie die Decke,“ sagte sie „sicher ist es nicht angenehm auf dem kalten Boden zu sitzen.“ Elisabeth reichte die Decke und Bruno ergab sich in Freudentaumel und bedankte sich, indem er die Decke ausbreitete und innerlich von der Hoffnung erfüllt den einzigen Wunsch hatte, dass sie weiterhin entgegenkommend den schönen Tag versüßen möchte. Zu seiner größten Verwunderung legte Elisabeth den Pinsel aus den Händen, erhob sich vom hölzernen Sitz und setzte sich an die Seite, sodass sie beieinander sitzend und miteinander schweigend die herrliche Aussicht sehen und genießen konnten.

„Wissen sie, dass die herrliche Aussicht mir bis heute entgangen ist?“, sagte Bruno „und das obgleich ich täglich hier spaziere“. „ Ja, das ist häufiger erläutert worden,“ sagte Elisabeth „ Ein Schriftsteller sieht die Welt mit andren Augen, als der Landschaftsmaler oder als der Architekt, der die Mathematik und Geometrie anwendet. Die Ästhetik jedoch hat manigfaltige Facetten, die harmonisch alles miteinander verbindet und die wahre Schönheit der Natur wiedergibt.“ versetzte sie.

„Die Kunst hat in den Jahren, an Qualität verloren, das Erhabene und Vollkommene haben gänzlich die Bestimmung verloren. Das gewöhnliche Volk gibt sich bereits mit biederen Werken zufrieden. Die meisten haben das Auge oder das Gehör verloren und so geschieht es, dass die Kunst bis heute durch immer versuchte Neuerungen an Gehalt an Stil, an Reinheit der Formen, und des Geschmacks immer mehr abnimmt. Alle Maler sind aufgestanden welche vornehmlich die Wirkung fürs Auge bezweckten, welche bei gemeinen Gegenständen durch das Gefällige der Ausführung, andre, die sich durch Witz und Laune des Inhalts Beifall zu erwerben gesucht. Noch von andern wird ausdrücklich gemeldet, sie hätten sich vorzüglich durch die Geschwindigkeit mit der sie arbeiteten hervorgetan, diese waren also genötigt, dem Wesentlichen, Genauen, sorgfältig Ausstudierten, Wohlgeendigten zu entsagen, und bloß das Scheinbare zu suchen.“

Einmal mehr, musste Bruno die Leidenschaften zügeln und die Herzenswünsche mit  Besonnenheit vermessen, als er sich in deren Augen weidete, und die lebendigen Lippen und munteren Wangen seine ganze Seele anzogen, wie er in dem herrlichen Sinn ihrer Rede ganz versunken, oft gar die Worte nicht hörte, mit denen sie sich ausdrückte. „Dem stimme ich zu“, sagte Bruno“ ich könnte dem nichts erwidern oder hinzufügen.“

Ja, es existierte eine innere Verwandtschaft und Ähnlichkeiten, die im laufe des Gesprächs, zu einem sicheren Verhältnis, gegenseitiges Vertrauen führten und die Harmonie fester und beständiger begründete. Ach dachte sich Bruno, wenn doch eine freundschaftliche Verbindung, eine geringe Verpflichtung entstehen könnte, so wäre er aus Freude an diesem Nachmittag gestorben oder aus Wonne vielleicht irrsinnig geworden.

Sie war sehr auf ihrer Hut, hatte eine natürliche Zurückhaltung, wirkte reizend, frei von Makeln und besaß eine außergewöhnliche Freundlichkeit, sie machte einen würdevollen Eindruck, wenn sie saß, war voller Gelassenheit und in ihrer Ablehnung bezaubernd. Sie war auf ernsthafte Dinge eingestellt, trug kein Verlangen nach Zeitvertreib und bemühte sich in der Kunst. So spürte Bruno dass die Liebe nach etwas schönem verlangt und sich einer äußerlich schönen Gestalt zuwendet, da die Seele selbst schön ist und eine Neigung für vollkommene Gestalten hegt. Und wenn die Seele ihres gleichen begegnet verweilt sie bei ihr, verbindet sich mit ihr, und die echte Liebe wird zur Wirklichkeit, erkennt sie jedoch nichts von ihrer Art, so geht das Lieben nicht über die Gestalt hinaus, da es die Leidenschaften sind, die kurz auflodern und  schnell vergehen.

 „Hören sie die Glocken? Es schlägt zu drei, “ sagte sie „nun gut, das Bild muss warten bis es beendet ist, ich werde heute Abend Heimwärts fahren.“ Sie suchte die Hilfsmittel zusammen, bedeckte das lückenhafte Bild, als Bruno zuletzt zwischen Hoffen und Zweifel, die Staffel in die Hände nahm und sagte „Ich werde behilflich sein, wenn es gestattet ist, sie bis zu ihrer Unterkunft begleiten“.

Als sie mit interessanten und sehr heiteren Gesprächen den Tiergarten verließen, das Brandenburger Tor durchschritten und schließlich auf dem Pariser Platz sich wieder fanden, versuchte Bruno auf das Thema einzugehen, dass wichtig, von Bedeutung war „Welches Glück, welche Umstände,  hat uns beide zusammengeführt, sind sie aus Berlin?“ „Nein“, erwiderte sie „gebürtig aus der Schweiz und ich begleite die Schwester, die zurzeit bei dem Künftigen, bei dem Bräutigam verweilt. Daheim werden wir in der Früh`, ja für Morgen schon erwartet.“

„Ah“, fügte sie hinzu „hier ist die Unterkunft, das Hotel Adlon. Ich habe den Nachmittag genossen und sie sind recht liebenswürdig gewesen. Wenn sie wünschen, die schöne Stadt Lugano einmal zu besuchen, sind sie herzlich eingeladen.“ „Es ist mir eine Ehre, sie wieder sehen zu dürfen und ich werde es dankend annehmen“, sagte er „Doch zu welcher Jahreszeit ist es ihnen angenehm?“ „Sie sind zu jeder Zeit willkommen“, sagte sie „ich zeige Ihnen die Schweizer Landschaft, gönnen sie sich die Tage, es wird von Vorteil sein, für kurze Zeit aus der Stadt zu gehen.“

So nahm Bruno sein Büchlein und notierte die Adresse, „Ach, wie ist ihr Name?“ und sie sagte „Ich heiße Elisabeth und wie heißen sie?“ und Bruno versetzte„Verzeiht die Dame, ich heiße Bruno Wolkenfeld.“ 

Elisabeths deutliche und offensichtliche Gunst zog Brunos Herzen mächtig an und als sie mit den Händen den Abschied gaben, eilte Elisabeth mit bedächtigen Schritten zum Eingang fort, indessen Bruno für eine Weile nachsehend  für sich dachte, O der Engel! Um deinetwillen muss ich leben. O darf ich, kann ich den Himmel in diesen Worten aussprechen, dass sie mich liebt? Mich liebt. Und wie wert ich mir selbst werde. Ich werde dich sehen, wenn ich mich ermuntre und mit aller Heiterkeit der schönen Sonne entgegen blicke. Die Liebe lässt den Manne schön erscheinen, was er zuerst verachtete achtet er, was zu schwierig war wird leicht. Ja sie verwandelt sogar die angeborenen Wesenszüge und als Bruno „Unter den Linden“ heimwärts wandelte, fühlte er sich noch nie glücklicher, noch nie seine Empfindung an der Natur, bis aufs Steinchen, aufs Gräschen herunter, voller und inniger. Was ist die Welt ohne Liebe?

Am selben Abend versah er den ersten freundschaftlichen Brief. Mit andeutenden Worten und in Rätseln schreibend, wollte er der Liebsten die Empfindung offenbaren, die sich seid dem ersten Nachmittag, im sehnsuchtsvollen Herzen regten. So entstand ein Briefwechsel in der sie sich entgegen kamen, Zuneigung zeigten, Versprechungen gaben und von Neuigkeiten und überflüssiges berichteten. Die Herbsttage vergingen sehr schnell, die Winterzeit und das Weihnachtsfest sorgten für kaltes Wetter und Schnee in Deutschland und der Schweiz. Für den heiligen Abend sendete er ein Geschenkpäckchen mit allerlei Süßes und Kleinigkeiten, mit denen er sich für die Verbindlichkeiten dankbar zeigte und an die bestehende Freundschaft erinnerte.

Beide hatten das Neujahrsfest mit einsamen und doch glücklichen Gefühlen bei lieben Freunden oder bei der Familie verbracht. Mit den Gedanken jedoch verweilten sie in der Ferne und mit dem einzigen Wunsch im Herzen, sich so bald als möglich wieder zu begegnen.

Bei hellem Vollmond und in der Dunkelheit der zweiten Nacht des neuen Jahres jedoch, bis zur Morgenstunde, hatte Bruno den fürchterlichsten Traum, sodass er während des Erwachens die seltsamen Bilder nicht zu deuten wusste. Er sah die Liebste mit der Gestalt, dass im Mondlicht, aus der Dunkelheit oder mit der Sonne frühes Licht verhüllt, aus der Ferne, aus der Nähe für und wider sprach. Unverständliche Worte, die den Tod betonten. Ist es das Gedankenspiel gewesen, dass dem Geiste dies Gesicht aufmalte oder hatte der Verstand sie sich in stillen Stunden ausgedacht? War es das Bild der Sehnsucht, aus dem Herzen tief geboren, von seinem Blick erfasst und doch ein leerer Wahn? Ist sie vielleicht dies alles nicht gewesen oder auserkoren, dem Tode ihn zu weihen nach Gottes ewigem Plan? Als sich die ersten Sonnenstrahlen zeigten, der Tag und die neue Welt klar und deutlich schien, hatte er die Gewissheit, dass es wirre Träume, Einflüsterung der Seele, Trugbilder, gar Einbildung gewesen sind. Doch die geheime Kraft zog ihn für viele Tage weiter vorwärts, sodass es ihm schwindelig wurde vor allen Sinnen  und er wusste sich nur mit der Vorfreude zu trösten, dass er sie bald sehen, in den Armen halten darf.

Für den Winter und die kalte einsame Jahreszeit, hatte Bruno sich mehrere Pflichten auferlegt und die Wartezeit mit Fleiß und Zuversicht bestanden. Tagtäglich malte er sich tausend Bilder und inmitten süßer Wunder, in Gedanken, verweilte Bruno bei der Liebsten. Sieben Monate mussten zuvor vergehen, bis er die ersten Vorkehrungen eröffnete, indem er Elisabeth die letzten Grüße widmete und verlauten ließ, dass er am ersten April eintreffen könnte. Nach mühsamen und aufreibenden Reisetagen erreichte er die heiß ersehnte Stadt, nahm auf der Via Gothardo ein Zimmer und ließ den Boten mit der Nachricht schicken, dass er am selben Abend zur Verfügung stehen möchte. Mit der Herzens Freude ging Elisabeth Bruno entgegen und antwortete, dass sie ihn auf der Höhe der Via Geretta, im Kaffee an der Paradiso Bucht gelegen, gegen neunzehn Uhr empfangen werde. Sie hatte bereits das Nötige in die Wege geleitet, die Zeit der Gemeinsamkeit, so angenehm als möglich zu gestalten.

(Lugano im Monat April)              Fortsetzung folgt.

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